Home Education in Deutschland
Die deutsche Home Education Bewegung

Gegenwärtig lernen schätzungsweise 600-1000 Kinder in Deutschland per Home Education. Was vor 20 Jahren als Experiment einzelner Familien begann, hat sich inzwischen zu einer kleinen, aber gut vernetzten Bewegung entwickelt. Ähnlich zur Situation in anderen Staaten ist jedoch auch die deutsche Home Education Bewegung keine homogene Gruppe. Die Motive der Eltern können ganz verschieden sein. Im Folgenden einige der am häufigsten anzutreffenden Gründe, die natürlich auch kombiniert auftreten oder sich im Laufe der Zeit verschieben können.

  • Das Interesse an stärkerer (religiöser) Wertorientierung der Bildung und Erziehung.
  • Der Wunsch, den Lernprozess stärker an den individuellen Bedürfnissen des Kindes auszurichten. Insbesondere bei Kindern mit besonderen Lernbedürfnissen (Hochbegabung, partielle Lernschwierigkeiten, ADHS...).
  • Sorgen um das Wohlergehen des Kindes, insbesondere im Zusammenhang mit Mobbing, Schulangst, psychosomatischen Beschwerden u.ä.
  • Das Bedürfnis, zeitlich oder räumlich flexibel den Alltag gestalten zu können.
  • Auch hinsichtlich der soziodemographischen Faktoren (Bildungsabschluss, Einkommen, Familiensituation, kulturelle Herkunft....) ist innerhalb der Home Education Bewegung eine große Bandbreite vertreten. Und nicht weniger vielfältig sind die Formen des Lernens, die die Eltern anwenden. Sie reichen vom schulähnlichen Unterrichten nach Plan, bis hin zum nicht vorstrukturierten Lernen, dass primär durch das Interesse des Kindes gesteuert wird.

    Eines ist jedoch nahezu allen deutschen Home Education Eltern gemeinsam: Sie handeln ordnungswidrig.



    Rechtliche Situation

    In Deutschland besteht in allen Bundesländern allgemeine Schulpflicht, die durch den Besuch einer öffentlichen oder staatlich anerkannten Schule erfüllt werden muss. Home Education ist keine anerkannte Alternative zum Schulbesuch und wird als Ordnungswidrigkeit, in einigen Bundesländern unter Umständen auch als Straftat angesehen. Die Konsequenzen, die sich für die Familien daraus ergeben, sind sehr verschieden. Sie reichen von "unbehelligt bleiben" oder stillschweigender Duldung über Bußgelder verschiedenster Höhe bis hin zu Zwangsgeldern, Erzwingungshaft oder (Teil)Sorgerechtsentzug.

    Bibliografie

    Die folgende Bibliografie soll eine möglichst vollständige Auflistung der wissenschaftlichen Beiträge liefern, die sich mit Home Education in Deutschland beschäftigen. Hinweise auf fehlende Publikationen sind herzlich willkommen.

    Publikationen zu Home Education in Deutschland

    Spiegler, Thomas. 2009. "Why State Sanctions Fail to Deter Home Education: An analysis of home education in Germany and its implications for home education policies " In: Theory and Research in Education 7(3) 297-309

    Spiegler, Thomas. 2009. "Lernen ohne Schulraum. Home Education und Unschooling als Gegenentwurf zu raumgebundenem Lernen." In: Jeanette Böhme (Hrsg.) Schularchitektur im interdisziplinären Diskurs. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden. S. 140-153

    Spiegler, Thomas. 2009. "Home Education - Lage, Chancen und Risiken." In: Zeitschrift für Soziologie der Erziehung und Sozialisation. 29 (3) 2009, S. 282-295

    Spiegler, Thomas. 2007. Home Education in Deutschland. Hintergründe - Praxis - Entwicklung. Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften. Ausgezeichnet mit dem Dissertationspreis der Deutschen Gesellschaft für Soziologie 2008

    Fischer, Ralph; Ladenthin, Volker (Hrsg.). 2006. Homeschooling - Tradition und Perspektive. Würzburg: Ergon

    Ladenthin, Volker. 2006. "Warum eine Gesellschaft öffentliche Bildung braucht." In: Ralph Fischer, Volker Ladenthin (Hrsg.). Homeschooling - Tradition und Perspektive. Würzburg: Ergon

    Spiegler, Thomas. 2006. Wo ist das Vertrauen hin - wo ist es geblieben? Die Home Education Bewegung als Indikator für Vertrauensverlust in die öffentliche Schule. In: Martin K. W. Schweer (Hrsg.) 2006. Bildung und Vertrauen. (Psychologie und Gesellschaft Bd. 5). Frankfurt /M.: Peter Lang

    Spiegler, Thomas. 2005. Bildung zu Hause - Home Education in Deutschland im Überblick. In: Kurskontakte 141 (2005) S. 24-26

    Spiegler, Thomas. 2005. Kann Ordnungswidrigkeit Bildung sein? Das Spannungsfeld zwischen Home Education und Schulpflicht in Deutschland aus soziologischer Perspektive. In: Recht der Jugend und des Bildungswesens 1/2005 S.71-82

    Spiegler, Thomas. 2005. Home Education in Germany - an Overview of the Contemporary Situation. In: Paula Rothermel; David Galloway. (Ed. 2005). Home Education. Special Issue of Evaluation and Research in Education. 17 (2&3) S. 179-190


    Publikationen zur rechtlichen Situation von Schulpflicht und Home Education

    Handschell, Tobias. 2012. Die Schulpflicht vor dem Grundgesetz. Geschichte der Schulfplicht und ihre verfassungsrechtliche Bewertung vor dem Hintergrund des sogenannten Homeschooling. Baden-Baden: Nomos

    Reimer, Franz (Hrsg.). 2012. Homeschooling. Bedrohung oder Bewährung des freiheitlichen Rechtsstaats? Baden-Baden: Nomos

    Reimer, Franz. 2010. School attendance as a civic duty v. home education as a human right In: International Electronic Journal of Elementary Education 3 (1) 5-15

    Reimer, Franz; Thurn, John Philipp. 2008. "Homeschooling als Option?" Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht. 27 (7) 718-722

    Langer, Thomas. 2007. "Die ‚Homeschooling'-Entscheidung des EGMR. Zur Erosion der Integrationsfunkton der staatlichen Pflichtschule." Recht und Bildung 4 (1)

    Tangermann, Christoph. 2006. ",Homeschooling' aus Glaubens- und Gewissensgründen." Zeitschrift für evangelisches Kirchenrecht 51 (3) 393-417

    Hebeler, Timo; Schmidt, Julia. 2005. "Schulpflicht und elterliches Erziehungsrecht - Neue Aspekte eines alten Themas?" Neue Zeitschrift für Verwaltungsrecht 24 (12) 1368-1371

    Achilles, Harald. 2003. "Unterricht zu Hause aus religiösen Gründen." SchulVerwaltung HRS 7 (5) 154-157

    Jülicher, Christian. 2002. "Elternwille und Schulpflicht - Aktuelle Fragen zum Umgang mit Eltern religiöser Sondergemeinschaften." Schulverwaltung. Ausgabe Nordrhein-Westfalen 13 (9) 250-253

    Rinio, Carsten. 2001. "Die Verletzung der Schulpflicht durch die Erziehungsberechtigten als Straftat und als Ordnungswidrigkeit." Zeitschrift für Jugendrecht. 88 (6) 221-237

    von Winter, Eggert. 1978. "Schulpflicht und Strafzwang." Recht der Jugend und des Bildungswesens. 26 (4) 408-423


    Nichtveröffentlichte Abschlussarbeiten

    Bajor, Anke. 2003. Bildung und Lernen ohne Schule am Beispiel der Hupfauer-Initiative. Diplomarbeit, vorgelegt an der Philosophisch-Sozialwissenschaftlichen Fakultät der Universtität Augsburg

    Krick, Daniela. 2002. Learning at home. Modelle von Homeschooling im internationalen Vergleich unter besonderer Berücksichtigung der USA. Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für Lehramt, vorgelegt an der Universität Osnabrück

    Steur, Andrea. 2002. Homeschooling - eine Alternative zum konventionellen Bildungssystem? Wissenschaftliche Hausarbeit zur ersten Staatsprüfung für Lehramt an der Pädagogischen Hochschule Weingarten

    Werle, Sonja. 2001. John Holts Einfluß auf die Homeschooling-Bewegung. Magisterarbeit an der Fernuniversität Hagen

    Preußker, Anke. 2000. Die "Homeschooling"-Bewegung in den Vereinigten Staaten von Amerika vor dem Hintergrund der Privatisierung im Bildungswesen. Magisterarbeit, vorgelegt an der Erziehungswissenschaftlichen Fakultät der Universität Leipzig

    Gießer, Birgit. 1994. Home Schooling in Nordamerika - Darstellung und Kritik familialer Erziehungs- und Bildungspraxis. Hausarbeit zur Ersten Staatsprüfung für Lehramt, vorgelegt an der Pädagogischen Hochschule Freiburg

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